Freyja

Freyja

Geburtsbericht Freyja
und nebenbei der Versuch einer Erklärung, woher der Name Freyja stammt
Wussten Sie, dass der Freitag nach der Germanischen Götting Freyja benannt ist?

Am Freitag traf ich Elisabeth erstmals zur Hebammensprechstunde. Eigentlich hätte
Cordula, eine Hebamme aus Deutschland, die ich seit Jahren sehr schätze, meine
Geburt begleiten sollen. Cordula kam auch 2 Wochen vor dem Geburtstermin, so
nach dem Motto „Urlaub auf dem Bauernhof mit Geburt“, wir hatten ein paar sehr
nette Tage, bis das Heimweh und die Sehnsucht nach den schwangeren Frauen, die
sie zurückgelassen hatte, stündlich zunahm. Da die Geburt möglicherweise noch in
weiter Ferne lag und ich sie und mich nicht unter Druck setzen wollte, kamen wir
beide zu dem Schluss, dass es besser sei, sie folge ihrem Impuls, nach Hause zu
fahren. Sie habe auch das Gefühl, eine Hebamme von hier sollte die Geburt
betreuen. Tags darauf rief ich die Hebamme Elisabeth Kordik an, die unsere letzte
Geburt begleitet hatte und mit der ich seit vielen Jahren im EKiZ kooperierte. Sie
meinte lachend, ich sollte mich beim nächstenmal vielleicht etwas früher melden,
nahm den „Auftrag“ aber gerne an und wir verabredeten uns für eben jenen Freitag.
Auch der Rest des Tages war so ausgefüllt, dass ich abends froh war, dass die
leichten Wehen, die die nahende Geburt ankündigten, wieder aufhörten und wir
einige Stunden Schlaf fanden.
Um 4 Uhr morgens wollte sich eine meiner Katzen auf meinen Bauch setzen. Im
Halbschlaf schupfte ich sie hinunter. Sie drehte sich um und sprang mir gleich noch
einmal, diesmal ziemlich unsanft, auf den Bauch. (In der Mythologie reist Göttin
Freyja mit einem Wagen, der von Katzen gezogen wird).
Sofort setzten leichte Wehen ein und ich brauchte nur kurz, um zu realisieren, dass
sie nun auch nicht mehr aufhören würden. Ich weckte Chris, meinen Mann, rief
meine Freundinnen Evelyne und Manuela und die Hebamme Elisabeth an. (Das
altdeutsche Wort für Frauen (freyjur) leitet sich von der Göttin Freyja ab, hûsfreyja
bezeichnete die Hausfrau).
Evelyne war als erste da und ich erinnere mich, dass wir im Innenhof unseres
Vierkantbauernhauses in der aufgehenden Sonne Geburtslieder gesungen haben,
während ich im Hängesessel die stärker werdenden Wehen verarbeitete. Eine sehr
stimmungsvolle Erfahrung.
Elisabeth kam um 5.45 Uhr und Manuela, die gekommen war, um die Geburt zu
filmen, kurz davor. Wir setzten uns in mein schönes „rotes Zelt der Frauen“, in dem
auch die Geburtswanne aufgestellt war, zu diesem Zeitpunkt war ich 2 cm eröffnet.
Dann ging alles recht rasch. Die Wehen kamen immer öfter, waren aber nicht sehr
schmerzhaft. Kurz vor 7 Uhr war die Geburtswanne fertig eingelassen und ich
tauchte selig in das warme Wasser ein.
Von diesem Zeitpunkt an habe ich von meiner Umgebung nicht mehr viel
wahrgenommen. Ich musste an Frederick Leboyer denken, der die Wassergeburt mit
dem Argument vehement ablehnt, dass die Aura der Mutter im Wasser „zerfließt“ – er
hat absolut Recht! Nur wird der Arme nie am eigenen Leib spüren, wie gut und richtig
sich das anfühlt! Ich begrüßte noch Mirjam (15), unsere Tochter, die gerne bei der
Geburt dabei sein wollte, aber dann war ich ganz bei mir.
Chris, mein Mann und Elisabeth massierten meinen Rücken, ich spürte die Blase
springen, es brannte ein bisschen, als der Kopf mit einer ziemlichen Kraft tiefer trat.
Die nächste Wehe war schon eine Schiebewehe und die darauffolgende
transportierte das Baby durch den ganzen Geburtsweg bis nach draußen, ohne
nennenswerte Schmerzen oder große Anstrengung meinerseits – das nennt man
wohl „Fünftgebärendenbonus“. (Michel Odent nennt das Fetus-Ejektions-Reflex, ein
Vorgang, der ohne aktives Mitpressen der Mutter auskommt und zum Potential einer
jeden Frau gehört, die selbstbestimmt, ungestört und ohne Einmischung von außen
gebären darf).
Trotzdem: Niemand, mich eingeschlossen, hatte damit gerechnet, dass die letzte
Phase der Geburt so rasch ablaufen würde – um 7.40 Uhr war Freyja (3200g, 51 cm)
da! Ich habe sie im Vierfüßlerstand geboren, selbst aus dem Wasser gefischt und als
Erste begrüßt. Mirjam durfte die Nabelschnur durchschneiden, darauf hatte sie sich
sehr gefreut und für Chris war es kein Problem, diese „Ehre“ beim 5. mal seiner
Tochter zu überlassen… Mirjam weckte ihre Brüder, die rechtzeitig kamen, um Freyja
noch im Geburtsbecken begrüßen zu können. Wir blieben noch eine ganze Weile im
Wasser, aber da die Plazenta sich im Wasser nicht löste, ging ich nach etwa 45
Minuten aus dem Pool – die Plazenta folgte sofort der Schwerkraft…
Manuela hatte ein köstliches Frühstück vorbereitet und wir genossen die
gemeinsame, magische Zeit. Genauso hatte ich mir meine Geburt vorgestellt –
gemeinsam mit den Menschen, die mir wichtig sind – wie ein Fest. Nicht nur für die
Gebärende, auch für alle, die an der Geburt unmittelbar Anteil nehmen, steht der
„Geburtsplanet“ offen, man fühlt sich wie in einer anderen Dimension von Zeit und
Raum.
(Freyja ist übrigens die Göttin der Geburt, der Fruchtbarkeit und Lebenskraft, der
Liebe(nden) und der Sexualität).
Ich habe mich, als alle gegangen waren, in die „Frauenwohnung“ zurückgezogen,
einem etwas abgetrennten Teil unseres Hauses, den ich schon vor einigen Jahren
zur kinderfreien Zone erklärt habe (der deshalb auch immer aufgeräumt und ruhig ist)
und wir haben dort königlich residiert, einige Besuche empfangen und tagelang den
„Geburtsplaneten“ nicht verlassen.
(Freyja ist auch die Göttin des Todes, alle Frauen, alle Liebenden und die Hälfte aller
gefallenen KriegerInnen werden von ihr in Folkwang empfangen, wo schöne Musik
und allerhand Künste gepflegt werden).
Am Tag nach der Geburt ist Elisabeth, meine Hebamme, bei einem Fahrradunfall
ohne Fremdverschulden ums Leben gekommen. Das hat unsere ganze Familie sehr
bewegt. Wir haben uns nach der Geburt verabschiedet und nicht wieder gesehen.
Trotzdem hat es sich für mich ganz anders angefühlt, als viele befürchteten. In einer
so transzendenten Lebensphase wie der, in der mich gerade bewegen durfte, ist
Leben und Tod ganz nah beieinander und verliert seinen Schrecken, gepaart mit
einem unverrückbaren Glauben, dass Geburt ebenso wenig der Anfang unserer
Existenz ist wie der Tod das Ende.
So führte uns unser erster Ausflug mit Freyja zu Elisabeths Verabschiedung –von
einer Schwelle des Lebens zur anderen.

 Angelika Rodler, Leiterin EKiZ Graz
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